26. August 2016
Teilrevision Steuergesetz – Lohnabzugsverfahren
Die Handelskammer beider Basel lehnt das vorgeschlagene Lohnabzugsverfahren ab, da damit das Ziel einer Vermeidung von Betreibungen und Steuerausfälle nicht erreicht werden kann. Die Vorlage führte zur Entmündigung der Steuerpflichtigen und einer zusätzlichen Regulierung für die Unternehmen ohne Nutzen für die Allgemeinheit. Zudem widerspricht die faktische Privilegierung von Steuerforderungen Bundesrecht.
Anliegen
Die Handelskammer beider Basel lehnt den Vorschlag zur Einführung eines Lohnabzugsverfahrens und damit die Teilrevision des Gesetzes über die direkten Steuern (Steuergesetz) ab. Die Wirtschaft kritisiert die damit verbundene Entmündigung der Steuerpflichtigen. Zudem entspricht die Einführung eines Lohnabzugsverfahrens nicht unserem gängigen Verständnis des Verhältnisses zwischen Bürger und Staat („Staatsverständnis“).
Die Wirtschaft hat Verständnis für die Bekämpfung der Schuldenproblematik. Allerdings stellt der vorgeschlagene Weg keine Lösung dar. Vielmehr müsste bereits im frühen Schulalter vermehrt auf die Verschuldung sowie die Pflichten und Rechte gegenüber dem Staat hingewiesen werden. Damit kann ein besseres Verständnis für die zu bezahlenden Steuern erreicht werden.
Die Steuerzahlenden haben bereits heute die Möglichkeit, mit sehr geringem Aufwand, einen Dauerauftrag für die Begleichung der Steuern einzurichten. Mit dem vorgeschlagenen Lohnabzugsverfahren wird den Steuerpflichtigen auch noch diese kleine Hürde abgenommen, was schweizerischem Staatsverständnis widerspricht. Mit dieser Bevormundung der Steuerpflichtigen tritt unter Umständen eine Spirale in Kraft, aus welcher sich die schuldengefährdeten Personen noch weniger lösen können. Das zentrale Ziel muss folglich sein, die Eigenverantwortung zu stärken, wie im vorigen Abschnitt bereits erwähnt.
Die Unternehmen im Kanton Basel-Stadt wären mit der Einführung eines Lohnabzugsverfahrens von einer weiteren Regulierung betroffen, die für die Allgemeinheit zu keinerlei Nutzen führt. Allen voran kleinere und wohl auch mittlere Unternehmen wären mit einem hohen Aufwand für die Anpassung der Lohnbuchhaltung konfrontiert. Der Regierungsrat hält in der Vernehmlassungsvorlage auf Seite 13 fest, dass nicht mit wesentlichen Änderungen bei den Debitorenverlusten zu rechnen ist, da jene Steuerpflichtigen, die in Zahlungsschwierigkeiten sind, vom freiwilligen Lohnabzugsverfahren keinen Gebrauch machten. Damit würde das zentrale Ziel der Vorlage nicht erreicht und die Rechtfertigung für eine weitere Bürde der Unternehmen wäre nicht gegeben. Eine Analyse zum Erfolg des bereits bekannten Lohnabzugs beim Staatspersonal fehlt, was den Schluss zulässt, dass dessen Einführung wenig erfolgreich war.
Die Vorlage hält fest, dass mit der Umsetzung jährliche Mehrkosten von 2,4 Millionen Franken und einmalige Umsetzungskosten von 2,6 Millionen Franken verbunden wären - wohlgemerkt ohne zusätzlichen Nutzen. Nicht beziffert wurden in der Vorlage die Umsetzungskosten für die Arbeitgeber sowie die jährliche Abgeltung für den Zusatzaufwand der Arbeitgeber.
Die Vernehmlassungsvorlage widerspricht dem Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG), da sie Steuerschulden faktisch privilegieren würde. Steuerschulden gehören der dritten Klasse an und sind folglich nicht privilegiert (vgl. SchKG, Art. 219 H. Rangordnung der Gläubiger). Konsequenterweise müssten dann alle Ausgaben, die für die „Schuldenfalle“ mehrheitlich verantwortlich sind, vom Bruttolohn in Abzug gebracht werden. Die Wirtschaft kann die Begünstigung von Steuerforderungen nicht nachvollziehen.
Das vorgeschlagene Lohnabzugsverfahren beschränkt sich auf die kantonale Steuer. Trotzdem soll gemäss Vorlage (Seite 8, Abs. 3.2.) die Steuerverwaltung bei Bedarf „allfällige Zahlungsüberschüsse“ (…) „mit geschuldeten Bundessteuerbeträgen verrechnen“ können. Dies ist als steuerrechtlich fragwürdig einzuschätzen.
Auch wenn die Handelskammer die Vorlage strikte ablehnt, nehmen wir nachfolgend zu einzelnen vorgeschlagenen Artikeln Stellung:
§207a., Lohnabzugspflicht, Abs. 1
- Der Bruttolohn umfasst gemäss Vorlage alle Einkünfte aus dem Arbeitsverhältnis, inkl. Nebeneinkünfte. Einerseits kann der Bruttolohn je nach Monat stark variieren (bspw. Zulagen, Auszahlung Überstunden, Schichtarbeit) und andererseits enthält er Leistungen, die zum Voraus noch gar nicht feststehen (bspw. Gratifikationen). Zudem steigt mit dem Hinzufügen einer dritten Partei (Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Staat) die Verantwortung des Arbeitgebers. Allfällige nachträgliche Lohnanpassungen sind schwieriger zu vollziehen, da die Vorauszahlung an die Steuerverwaltung bereits erfolgt ist.
- Des Weiteren möchten wir darauf hinweisen, dass weder im vorgeschlagenen Gesetzesentwurf noch in der Vernehmlassungsvorlage ein Mindestbetrag erwähnt wird, ab welchem ein Lohnabzug gilt. Dies kann zur Folge haben, dass kleinere Verdienste, die aufgrund des Freibetrags nicht einkommenssteuerpflichtig sind, dennoch mit den vorgeschlagenen 9 Prozent belastet werden. Damit verbunden wäre eine notwendige Rückbuchung der bereits abgezogenen und an die Steuerverwaltung überwiesenen Beträge.
§207b., Verfahren, Abs. 1, Abs. 4 und Abs. 5
- In Absatz 1 wird von „geschuldetem Lohn“ gesprochen. Was dies beinhaltet, ist unklar. Zudem kann dieser laufend variieren (siehe Anmerkungen zu §207a., Abs. 1).
- Gemäss Absatz 4 liegt es in der Verantwortung des Arbeitnehmers, zu prüfen, ob die abgezogenen Beträge mit den bei der Steuerverwaltung gutgeschriebenen übereinstimmen. Dies bedingt, dass erstens die Steuerpflichtigen in der Lage sind, den Lohnausweis in einer vorgegebenen Frist detailliert zu prüfen. Zweitens müssten Unternehmen wieder regelmässige Lohnabrechnungen ausdrucken und versenden. Diverse Arbeitgeber verzichten heute auf monatliche Auszüge, da dies weder ökologisch noch ökonomisch Sinn macht.
- Absatz 5 besagt, dass der Regierungsrat eine Bezugsprovision vorsehen kann. Es ist allerdings nicht klar, ob eine solche tatsächlich eingeführt würde, und falls ja, wie hoch diese wäre. Die Wirtschaft kritisiert, dass dies auf Verordnungsstufe geregelt werden soll und somit zum jetzigen Zeitpunkt die „Katze im Sack“ gekauft würde.
§207c., Haftung und Sanktionen, Abs. 2
- Absatz 2 hält fest, dass bei Missbrauch auch die oder der Arbeitnehmende haften würde. In welchem Verhältnis bzw. in welchem Umfang lässt das Gesetz völlig offen (allenfalls solidarisch?). Ebenso ist die missbräuchliche Benutzung nirgends definiert und lässt damit zu viele Fragen offen.
Aus oben genannten Gründen lehnt die Handelskammer beider Basel die Teilrevision des Steuergesetzes ab. Die Vorlage führt zu keinerlei Reduktion bei den Betreibungen aufgrund von Steuerschulden, ist jedoch mit einem unverhältnismässigen Aufwand bei den Unternehmen und der Steuerverwaltung verbunden.
Beilage: Antworten auf die Vernehmlassungsfragen
Wie bereits zu Beginn erwähnt, lehnt die Handelskammer beider Basel die Teilrevision des Steuergesetzes ab. Die folgenden Antworten sollen diese Haltung unterstreichen.
1. Befürworten Sie die Einführung eines Lohnabzugsverfahrens?
- Nein.
2. Werden die Steuerpflichtigen nach Ihrer Meinung von der Möglichkeit des Lohnabzugsverfahrens Gebrauch machen?
- Nein, zumindest nicht diejenigen, die heute von Betreibungen betroffen sind.
3. Werden die Steuerausfälle des Kantons nach Ihrer Meinung dank des Lohnabzugsverfahrens abnehmen?
- Nein, siehe Antwort zu Frage 2.
4. Ist das vorgeschlagene Abzugsverfahren für die Arbeitgebenden vollziehbar? Was für Probleme könnten sich stellen?
- Nein. Grosser Aufwand auf Seiten Behörden und Unternehmen, Umstellung der Lohnbuchhaltung, Haftungsfragen etc.
5. Könnte das Lohnabzugsverfahren noch einfacher gestaltet werden als vorgeschlagen? Auf welche Weise? Gibt es weiteres Vereinfachungspotential?
- Nein.
6. Ist es sinnvoll, dass die Arbeitnehmenden die Höhe des Lohnabzugs frei bestimmen können?
- Grundsätzlich ja. Allerdings wäre – falls das Lohnabzugsverfahren tatsächlich eingeführt würde, eine Mindestgrenze zu wählen. Ansonsten wäre das Kosten-Nutzen-Verhältnis noch in einem schlechteren Verhältnis als mit der vorgeschlagenen 9-Prozent-Regelung.
7. Sollen Arbeitgebende mit nur wenig Angestellten von der Lohnabzugspflicht ausgenommen werden? Oder sind andere Ausnahmen sinnvoll? Wenn ja, welche?
- Damit gleich lange Spiesse herrschen, müssen alle Arbeitgebende von der Lohnabzugspflicht befreit werden. Für die Ausnahme müsste eine Grenze an Angestellten geschaffen werden, was wiederum zu neuen Problemen führt. Was passiert beispielsweise wenn das Unternehmen diese Grenze unter dem Jahr übertrifft. Würde das Lohnabzugsverfahren dann rückwirkend für die laufende Steuerperiode gelten? De facto wären nicht nur Unternehmen, sondern auch Privatpersonen, die Personal beschäftigen, vom Lohnabzug betroffen (bspw. für Haushaltshilfen, Putzfrauen etc.). Ein Lohnabzugsverfahren würde diese Personen vor grosse Herausforderungen stellen. Entsprechend könnte von einer ansteigenden Schwarzarbeit ausgegangen werden, um den Aufwand und die Haftung zu verringern.
Download
Teilrevision Steuergesetz, Stellungnahme HKBB
Bereichsleiter Finanzen und Steuern
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